Was nützt ein Parlament, wenn der Präsident trotzdem machen kann, was er will?

Es gibt sie noch, diese Fragen, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Zum Beispiel: Wie konnte Donald Trump eigentlich ganz allein über Zölle entscheiden? Müsste da nicht der US-Kongress ein Wörtchen mitreden?

Kurze Antwort: Ja, müsste er. Aber eben nur theoretisch.

Die Macht der Ausnahme

In der US-Verfassung ist klar geregelt: Der Kongress entscheidet über Zölle und Handelspolitik. Doch über Jahrzehnte hat der Kongress dem Präsidenten grosszügige Sondervollmachten übertragen. Und Trump? Hat diese rechtlichen Lücken nicht nur gefunden, sondern gezielt ausgereizt.

Drei Gesetze stehen im Zentrum dieser erweiterten präsidialen Eingriffsmöglichkeiten: Erstens der Trade Expansion Act von 1962, insbesondere §232 – erlaubt Zölle bei Gefährdung der nationalen Sicherheit. Zweitens der Trade Act von 1974, §301 – erlaubt Zölle bei unfairen Handelspraktiken anderer Staaten. Und drittens der International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) – ermöglicht wirtschaftliche Massnahmen im Fall nationaler Notstände.

Diese Gesetze wurden einst als Ausnahmeinstrumente gedacht. Heute bilden sie das Fundament einer Handelspolitik, die sich von multilateralen Regeln weitgehend abgekoppelt hat.

Von Einzelfall zu Systemwandel: Trumps Zölle sind Realität

Trump hat diese rechtlichen Spielräume bereits während seiner ersten Amtszeit genutzt. Doch nun, im April 2025, ist der Systemwechsel vollzogen. Seit dem 5. April erhebt die US-Regierung unter Trump pauschale Einfuhrzölle von 10 % auf sämtliche Importwaren – unabhängig von Herkunft oder Produktart. Am 9. April folgen gezielte Strafzölle: 54 % auf Importe aus China, 20 % auf EU-Waren, 25 % auf südkoreanische Produkte, 24 % auf Importe aus Japan, 46 % auf Waren aus Vietnam, etc. Diese Zölle wurden offiziell am 2. April kommuniziert und treten nun in Kraft. Sie sind Bestandteil eines umfassenden Kurswechsels in der US-Handelspolitik, der multilaterale Regeln bewusst zurückstellt.

Damit markiert Trumps Politik eine Abkehr von selektiven, reaktiven Massnahmen hin zu einem umfassenden protektionistischen Konzept. Er nennt es selbst eine "neue Tarifordnung", die angeblich die inländische Industrie stärken und wirtschaftliche Abhängigkeiten reduzieren soll.

Betroffen sind nicht nur strategische Sektoren wie Hightech und Energie – sondern auch Alltagsprodukte. Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind absehbar: steigende Konsumpreise, politische Spannungen mit traditionellen Partnern, Verunsicherung auf den Märkten.

Diese Politik trifft Regionen wie Europa ebenso wie asiatische Exportländer. Und sie stellt die multilateralen Strukturen des Welthandels offen infrage.

"America First" in Reinform

Trumps Zollagenda ist nicht bloss ein wirtschaftliches Instrument – sie ist Ausdruck einer politischen Haltung: ökonomischer Nationalismus als Leitsatz. In seiner Logik bedeutet faire Handelspolitik, dass amerikanische Interessen über internationalen Verpflichtungen stehen. Wer in den USA verkaufen will, soll auch dort produzieren. Wer nicht spurt, wird sanktioniert.

Dass diese Haltung auch langjährige Verbündete trifft, scheint Teil des Kalküls zu sein. In Trumps Weltordnung gelten transatlantische Loyalitäten weniger als Handelsbilanzen.

Wo bleibt der Kongress?

Die theoretische Zuständigkeit des US-Kongresses für die Handelspolitik bleibt bestehen – die praktische Wirkung ist begrenzt. Will der Kongress Zölle aufheben oder einschränken, müsste er neue Gesetze erlassen. Doch diese unterliegen dem Veto des Präsidenten. Um ein Veto zu überstimmen, wäre eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern nötig – derzeit politisch nicht realistisch.

So bleibt der Kongress Zuschauer eines Spiels, dessen Regeln er selbst geschaffen hat – aber kaum noch beeinflussen kann.

Widerstand und Risiken

Unternehmen, Wirtschaftsverbände und internationale Partner warnen vor den Folgen. In Europa ist die Empörung gross, besonders im Exportsektor. Auch in den USA melden sich Stimmen aus der Industrie, die höhere Produktionskosten, unterbrochene Lieferketten und Wettbewerbsnachteile beklagen.

Die Weltbank und der IWF haben ihre Wachstumsprognosen für 2025 bereits nach unten korrigiert. Erste WTO-Verfahren sind eingeleitet. Gleichzeitig reagiert China mit eigenen Importauflagen – ein Eskalationszyklus scheint kaum noch aufzuhalten.

Ironischerweise schaden viele dieser Zölle auch US-Firmen, die nun für Rohstoffe, Bauteile und Zwischenprodukte tiefer in die Tasche greifen müssen. Doch Trumps Botschaft bleibt unverändert: Härte zahlt sich aus. Kompromisse gelten als Schwäche.

Was bleibt

Die neue Zollstrategie ist mehr als nur ein wirtschaftspolitisches Kapitel – sie ist ein Bruch mit der globalen Ordnung der letzten Jahrzehnte. Was einst als Ausnahmeinstrument gedacht war, ist zur festen Säule einer neuen Aussenwirtschaftspolitik geworden.

Und der Kongress? Der schaut zu – vielleicht mit wachsender Unruhe, aber ohne echte Handhabe.

Zölle made in Trump – das ist kein taktisches Manöver mehr. Es ist der Umbau des Systems.

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"Reziproke Zölle" made in USA