Der Medallion Fund – Wenn Mathematik reicher ist als Intuition

Willkommen in der Welt des Hedgefonds, der so geheim ist, dass selbst Verschwörungstheoretiker beim Gedanken an den Medallion Fund nervös mit den Augen zucken. Und das aus gutem Grund: Seit Jahrzehnten liefert der Fonds von Renaissance Technologies atemberaubende Renditen – 66 % im Jahresdurchschnitt (vor Gebühren!) zwischen 1988 und 2018. Das ist kein Zahlendreher. Das ist Realität. Nur nicht für Dich – ausser Du bist (Ex-)Mitarbeiter der Firma. Denn der Fonds ist seit 1993 für externe Investoren geschlossen.

Aber was genau steckt hinter diesem Mythos? Und wie schafft es ein mathematischer Supercomputer in Fondsform, Jahr für Jahr zu liefern, während klassische Investoren den Markt (meist) nicht mal schlagen können?

Das Prinzip: Wenn Statistik Poesie schreibt

Vergiss Bauchgefühl, Marktkommentare und CEO-Interviews. Beim Medallion Fund zählt einzig, was sich mathematisch beweisen lässt. Die Strategien basieren auf ausgeklügelten quantitativen Modellen, die in riesigen Datenmengen nach Mustern suchen. Hier ist nicht Warren Buffet das Vorbild, sondern eher Alan Turing auf Speed. Tausende von Variablen, historische Kursdaten, Microprice-Bewegungen, Tageszeit-Effekte, Liquiditätsströme – alles wird gefüttert in Modelle, die nicht nur schnell denken, sondern auch schnell handeln.

Intraday only, Baby

Das vielleicht effektivste Risikomanagement-Tool des Medallion Funds? Ganz einfach: Er schläft nie mit offenen Positionen. Fast alle Trades werden innerhalb eines Tages abgeschlossen. Das sogenannte "Flat Book" am Tagesende schützt den Fonds vor nächtlichen Überraschungen wie geopolitischen Schocks, Twitter-Eskapaden oder asiatischen Marktpaniken. Marktschocks wie der Black Monday 1987? Kein Problem, wenn man abends schon draussen ist.

Das ermöglicht es auch, hohe Hebel anzuwenden – 12- bis 20-fach, schätzen Insider. Das wäre für klassische Fonds suizidal, doch wenn man in Millisekunden agiert und das Risiko nie länger als ein paar Stunden hält, sieht die Welt anders aus.

Kein Market Making – aber nahe dran

Der Medallion Fund ist kein offizieller Market Maker. Er stellt keine laufenden Quotes und verpflichtet sich auch nicht zur Liquiditätsbereitstellung. Aber: Seine Handelsweise ähnelt dem Market Making verdächtig. Durch die hohe Frequenz, die massiven Volumina und die Reaktion auf Mikroineffizienzen bietet er dem Markt oft unfreiwillig Liquidität – aber nur dann, wenn es profitabel ist.

Die Modelle finden Preisabweichungen, handeln sie aus und verschwinden wieder – wie ein mathematisch hochbegabter Ninja. Sie profitieren von Arbitragemöglichkeiten, statistischer Reversion und Marktanomalien, die andere nicht mal bemerken, weil sie noch mit Fundamentaldaten beschäftigt sind.

Machine Learning mit Haltung

Auch künstliche Intelligenz kommt zum Einsatz – aber nicht in der ChatGPT-Variante. Renaissance Technologies verwendet klassische Machine-Learning-Ansätze: Entscheidungsbäume, Random Forests, Bayesianische Netzwerke. Der Clou: Manchmal verstehen selbst die Entwickler nicht mehr, warum ein Modell funktioniert. Sie wissen nur: Es funktioniert. Und solange die Signale liefern, wird weitergehandelt.

Es ist ein bisschen wie in der Küche eines Sternekochs: Das Rezept ist geheim, die Zutaten kennt keiner, aber das Ergebnis schmeckt jeden Tag.

Märkte? Am besten alle, die Daten spucken

In welchen Märkten der Medallion Fund aktiv ist? Gute Frage – und teilweise beantwortbar. Sie handeln:

  • US-Aktien (NYSE, NASDAQ) – wegen Liquidität und Geschwindigkeit

  • Futures auf Indizes, Währungen, Rohstoffe

  • Devisen (EUR/USD, USD/JPY etc.)

  • Optionen und Volatilitätsprodukte

  • Wahrscheinlich Anleihen – aber nur kurzfristig und sehr selektiv

Was sie nicht handeln: Kryptos (zumindest bisher keine Hinweise).

Der Mythos lebt weiter

Das wirklich Erstaunliche ist: Trotz aller Erfolge ist kaum ein Detail öffentlich bekannt. Der Fonds ist so abgeschottet, dass nicht einmal die SEC vollen Einblick hat. Alles, was nach aussen dringt, stammt aus wenigen Interviews, Biografien (wie Greg Zuckermans "The Man Who Solved the Market") oder ehemaligen Mitarbeitern, die wahrscheinlich bis heute Albträume von Vertraulichkeitsklauseln haben.

Was man weiss: Der Fonds lebt von unglaublicher Disziplin, mathematischer Eleganz und absoluter Datenbesessenheit. Und von der Fähigkeit, genau dann nichts zu tun, wenn andere hektisch kaufen oder verkaufen.

Fazit: Die Kunst, kein Bauchgefühl zu haben

Der Medallion Fund ist mehr als ein Fonds. Er ist der Beweis, dass Emotionen, Meinungen und Headlines in der Welt der Geldanlage überschätzt werden. Die wirkliche Magie liegt in der Mathematik, in der Struktur und im Mut, dem System zu vertrauen, selbst wenn man nicht immer versteht, warum es funktioniert.

Und vielleicht ist genau das das Erfolgsgeheimnis: Ein bisschen weniger Mensch sein. Zumindest an der Börse.

Also, falls Du gerade überlegst, ob Du Dein Portfolio neu strukturieren solltest – vergiss die Schlagzeilen. Frag lieber: Was würde ein Algorithmus tun?

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