TikTok in Europa: Die Plattform, die zu viel kann?
TikTok – einst belächelt als Plattform für Tänze und Lip-Sync-Videos, hat sich längst zu einem gigantischen digitalen Ökosystem entwickelt, das nicht nur Jugendliche, sondern auch politische Strategen und Datenschützer in Atem hält. Während die App für die einen unschuldige Unterhaltung bedeutet, sehen andere darin ein trojanisches Pferd, das Europa Kopfzerbrechen bereitet. Zeit, genauer hinzusehen.
1. Der Datenschutz: "Big Brother" lässt grüssen
Europa liebt Datenschutz – fast so sehr wie Kaffee mit Schaumkrönchen. Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) als heiliger Gral wird jede App, die auch nur den Anschein erweckt, mit sensiblen Daten sorglos umzugehen, sofort ins Kreuzverhör genommen. TikTok ist da keine Ausnahme.
Die irische Datenschutzkommission liess 2023 Taten sprechen und verhängte eine satte Geldstrafe von 345 Millionen Euro gegen die Plattform. Der Grund? TikTok habe Daten von Minderjährigen nicht ausreichend geschützt. Man fragt sich: Wenn TikTok schon beim Umgang mit Daten der Jüngsten patzt, wie sicher können wir uns bei unseren eigenen Daten sein?
2. Propaganda oder Unterhaltung?
TikTok ist ein bisschen wie ein Chamäleon: Mal ist es unschuldig bunt, mal zeigt es überraschend politische Farben. Kritiker werfen der Plattform vor, durch gezielte Algorithmussteuerung Inhalte zu fördern, die spalten oder manipulieren. Besonders die Reichweite macht Angst: Mit 135,9 Millionen monatlich aktiven Nutzern in der EU ist TikTok ein potenzielles Megafon für jeden, der eine Botschaft verbreiten will – sei es positiv oder destruktiv.
Während der Europawahl 2024 nutzten viele populistische Parteien TikTok, um ihre Botschaften zu verbreiten. Das Ergebnis: 16 % der 16- bis 24-jährigen Deutschen wählten die AfD – ein Rekordwert in dieser Altersgruppe. TikTok als Wahlhelfer? Man könnte fast sagen, die politische Meinungsbildung wird tanzend beeinflusst.
3. Kinder, Challenges und andere Katastrophen
Ein weiterer Kritikpunkt: TikTok ist für Jugendliche oft nicht nur Unterhaltung, sondern auch eine Bühne für problematische Inhalte. Von gefährlichen Challenges bis zu unrealistischen Schönheitsidealen – die Plattform hat ein echtes Problem, wenn es darum geht, ihre jüngsten Nutzer zu schützen. Eltern dürfen sich fragen: Ist die App, die ihr Kind abends heimlich im Bett scrollt, wirklich harmlos?
4. Die europäische Abhängigkeit
Das vielleicht grösste Problem ist jedoch, dass TikTok ein Produkt eines nicht-europäischen Unternehmens ist. Europa hat keine eigene Social-Media-Plattform mit vergleichbarer Reichweite. Das ist ungefähr so, als würde man im Restaurant immer nur Beilagen bestellen, weil man den Hauptgang nie selbst kochen kann. Solange wir auf Plattformen aus den USA oder China angewiesen sind, bleibt unsere digitale Souveränität ein frommer Wunsch.
5. Verbieten oder regulieren?
Die EU überlegt derzeit, TikTok entweder massiv zu regulieren oder im Extremfall sogar zu verbieten. Natürlich gibt es Argumente dafür: Datenschutz, Schutz vor Propaganda, Schutz der Jugend. Aber wie würde ein Verbot in der Praxis aussehen? Wären VPNs der neue europäische Trendsport? Oder würde man TikTok-Nutzer wie digitale Schmuggler behandeln, die sich heimlich Tanzvideos ansehen?
Ein Verbot mag eine starke Botschaft sein, aber es löst nicht das eigentliche Problem: Europas technologische Rückständigkeit. Wenn wir keine eigenen Alternativen schaffen, bleibt die Wahl zwischen Pest und Cholera.
6. Was jetzt?
Europa steht vor einem Dilemma. TikTok ist beliebt, profitabel und mächtig – aber auch ein potenzielles Risiko. Die EU muss entscheiden: Wollen wir mitreden und regulieren, oder die Reissleine ziehen und uns dem Zorn von Millionen Nutzern aussetzen?
Vielleicht ist es Zeit, sich die Frage zu stellen: Wollen wir weiterhin Zuschauer im digitalen Machtspiel sein, oder endlich mitspielen? Denn eins ist klar: Wenn wir unsere Daten und unsere Zukunft nicht selbst in die Hand nehmen, dann tun es andere – und die tanzen dabei nicht zu unserer Melodie.
Fazit: TikTok ist mehr als eine App – es ist ein Spiegel unserer digitalen Gegenwart. Ob wir uns darin gefallen, liegt ganz bei uns.