Der lange Weg zum Überflieger: Warum selbst die besten Fonds manchmal schlecht starten (und was wir daraus lernen sollten)
Die Vorstellung vom perfekten Fonds: Er startet furios, schlägt die Konkurrenz Jahr für Jahr und lässt Anleger ab der ersten Minute jubeln. Klingt schön – hat nur mit der Realität wenig zu tun. Die Wahrheit ist: Viele der legendärsten Fonds der Geschichte waren zu Beginn eher Rohrkrepierer. Und das ist gar nicht mal so ungewöhnlich.
Legenden mit Stolperstart
Nimm den berühmten Medallion Fund von Renaissance Technologies. Heute eine Ikone mit einem sagenhaften jährlichen Nettoertrag von rund 39 % und einer Performance, die Wall-Street-Manager ehrfürchtig flüstern lässt. Doch 1989 – im zweiten Jahr nach Auflage – verlor der Fonds ganze 4 %, während der S&P 500 um mehr als 30 % zulegte. Autsch. Ein erstes Jahr mit nur +9 %, das den Index ebenfalls klar verfehlte, trug auch nicht zur Motivation bei. Es folgten interne Spannungen, ein Mitgründer verliess das Team und die Algorithmen waren noch alles andere als fehlerfrei.
Und dann? Wurde es doch noch ein Märchen. Ab den 1990ern nahm Medallion Fahrt auf, steigerte die Renditen, stabilisierte die Modelle und wurde zum „bestgehüteten Geheimnis der Wall Street“. Der maximale Drawdown? Schätzungsweise selten über 5–10 %. Es zeigt sich: Der spätere „Heilige Gral“ der Hedgefonds-Welt musste sich seine Sporen erst verdienen.
Auch die Grossen stolperten
Oder nehmen wir Bridgewaters Pure Alpha, den Flagship-Fonds von Ray Dalio. Auch hier kein Bilderbuchstart. Die frühen 90er-Jahre verliefen mit einigen „unspektakulären“ einstelligen Renditen, gefolgt von Verlusten im berüchtigten Bond-Crash von 1994. Erst Jahre später wurde Bridgewater zu dem globalen Makro-Giganten, der selbst 2008 im Finanzkollaps zulegte. Heute bewundert man Dalio für seine makroökonomischen Weitsichten – doch auch diese musste er nach Lehrgeld und Fehlprognosen der frühen Jahre erst lernen.
„Bogle’s Folly“ wird zur Revolution
Noch besser: Jack Bogle, der mit seinem Vanguard 500 Indexfonds 1976 die Indexfonds-Revolution einläutete, wurde anfangs als „unamerikanisch“ verspottet. Kaum jemand wollte sein Produkt zeichnen – nur 11 Millionen USD Kapital kamen zusammen, lächerlich wenig im Vergleich zum erhofften Startvolumen von 150 Millionen. In den ersten drei Jahren lag der Fonds im hinteren Perzentil der Konkurrenz. Und heute? Ist der Vanguard 500 ein Gigant mit über 500 Milliarden USD Assets under Management und das Synonym für passives Investieren.
Warum starten viele Fonds schwach?
Die Gründe für schwache Anfänge sind so vielfältig wie die Fonds selbst:
Strategien müssen sich in der „echten“ Marktwelt erst bewähren.
Unvorteilhafte Marktzyklen zur Unzeit (ja, auch ein guter Fonds kann in einem Bärenmarkt beginnen).
Kinderkrankheiten im Risikomanagement.
Oder schlicht: Grosse Fonds starten klein und kämpfen zu Beginn mit fehlender Akzeptanz.
Ob Medallion, Bridgewater oder Vanguard – sie alle brauchten 3 bis 5 Jahre, bis sie die ersten Auszeichnungen einheimsten. In dieser „Reifezeit“ optimierten sie Strategien, passten Risikomodelle an und hielten an ihrer Philosophie fest.
Statistisch fast schon die Regel
Eine gross angelegte Analyse von Morningstar und Baird zeigt: 97 % der Top-Fonds weltweit hatten in ihrer Karriere mindestens einmal eine drei Jahre anhaltende Underperformance gegenüber ihrer Benchmark. Das ist keine Ausrede, sondern eher ein Naturgesetz. Fonds, die jahrelang outperformen, durchlaufen fast immer auch Phasen, in denen Anleger nervös auf die Depotentwicklung schielen und sich fragen: „War das die richtige Wahl?“.
Die Ironie der Geschichte
Die Ironie daran? Viele Anleger steigen genau dann aus, wenn der Fonds nach 2–3 mageren Jahren endlich kurz vor dem Turnaround steht. „Buy high, sell low“ – auch das ist eine klassische Anlegerkrankheit. Dabei zeigen Fonds wie der Fidelity Contrafund oder der T. Rowe Price New Horizons Fund, dass gerade nach dem Fehlstart oft die grössten Chancen lauern. Beide Fonds lieferten in den Anfangsjahren nur durchwachsene oder sogar negative Ergebnisse, nur um danach zu Jahrzehnte währenden Outperformern zu avancieren.
Geduld als Superkraft
Die wohl wichtigste Lehre aus diesen Beispielen: Performance ist kein Sprint. Die wirklich starken Fonds haben sich oft über Jahrzehnte bewiesen – nicht in drei guten Quartalen. Es sind die Teams, die in den „grauen“ Jahren an ihrer Methodik festhalten, Anpassungen vornehmen und langfristig denken, die später die Champions League der Finanzwelt spielen.
Wenn also der nächste Fonds nach zwei Jahren noch nicht das Zeug zum Überflieger zeigt, muss das nicht das Ende sein – vielleicht bist du gerade auf dem besten Weg zum nächsten Medallion. Du musst nur sitzen bleiben, während andere das Spielfeld verlassen.
Fazit: Nicht nervös werden
Wenn du das nächste Mal in der Fondsbewertung eine „rote Phase“ siehst, denke an Bogle, Dalio oder Simons. Ihre Fonds begannen nicht mit einem Feuerwerk – und doch erzählen sie heute die grössten Erfolgsgeschichten der Branche. Vielleicht ist genau das der Unterschied zwischen Anlegern, die von Anfang an auf das grosse Bild schauen, und denen, die nur auf kurzfristige Gewinne schielen.
Denn manchmal, ja manchmal beginnt der Weg zu einer Legende mit einem ordentlichen Bauchklatscher.